Die strategische Relevanz der Marke im B2B-Umfeld
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Die strategische Relevanz der Marke im B2B-Umfeld

Es ist ein oft gehörtes und hartnäckiges Vorurteil: Marken spielen im B2B-Umfeld nur eine untergeordnete Rolle. Die Wahrheit ist jedoch, dass ihr Einfluss im Industrie- oder Investitionsgütermarketing noch grösser ist als bei Konsumgütern. DennDabei sind gerade im B2B-Kontext sind zentrale Markenfunktionen wie Vertrauen, Mitarbeiteridentifikation und Kommunikationseffizienz entscheidend.

Mit Irrtümern aufräumen

Die häufigsten Missverständnisse lassen sich in drei Punkten zusammenfassen:

1. Überschätzte Rationalität – unterschätzte Emotionalität

«B2B-Transaktionen sind zu rational und preisgetrieben, als dass eine emotionale Komponente wie die Marke eine massgebende Rolle spielen könnte.»

Dieses typische Argument gegen die Bedeutung der Marke stimmt insofern, als dass der Preis bei B2B-Transaktionen tatsächliche eine grosse Rolle spielt. Denn oft geht es um grosse Budgets, und hohe Investitionskosten bedeuten für die Käuferseite ein hohes Risiko. Doch gerade wenn es um das Minimieren von Entscheidungsrisiken geht, ist die Marke und das ihr von Kundenseite entgegengebrachte Vertrauen ganz entscheidend. Nicht umsonst lautet ein berühmtes Zitat: «Nobody ever got fired for buying IBM.» Tatsächlich gaben bei einer McKinsey-Umfrage[i] unter 1'000 Entscheidungsträgern 42% der befragten Einkäufer an, dass das reduzierte Risiko für sie der Hauptgrund für die Bedeutung der Marke sei. Vertrauen ist ein zentraler Wert, denn ob Einkäufer allein oder im Kollektiv entscheiden: Es sind immer Menschen, die sich – auch bei beruflichen Entscheidungen – nicht unwesentlich von ihrem Bauchgefühl leiten lassen. In seinem Buch «Blink – The Power Of Thinking Without Thinking» zeigt Malcolm Gladwell auf, dass die meisten geschäftlichen Entscheidungen aufgrund eines innert Sekundenbruchteilen gemachten ersten Eindrucks getroffen werden. Entscheider greifen dafür intuitiv auf gespeicherte Erinnerungen, Bilder und vor allem Emotionen zurück.

Marken haben nicht nur eine entscheidende Wirkung auf Kunden, sondern auch auf Mitarbeitende. Wenn sie stolz auf ihren Arbeitgeber sind und sich mit ihrer Marke identifizieren, werden sie zu wertvollen Botschaftern für das Rekrutieren neuer Mitarbeitenden.

2. Ungerechtfertigte Trennung von Mitarbeitenden und Marke

«Das Wichtigste in unserem Geschäft sind unsere persönlichen Kundenbeziehungen – die Marke spielt dabei keine Rolle.»

Keine Frage: Persönliche Beziehungen sind im B2B-Geschäft von unbestreitbarer Relevanz. Marken funktionieren jedoch nicht von ihnen losgelöst, sondern bilden vielmehr ihre Basis und beeinflussen ganz entscheidend, wie Kundenbeziehungen gepflegt werden. Die Marke ist hier das verbindende Element, das für einen konsistenten Eindruck sorgt und wiederum Entscheidungen beeinflusst – gerade dann, wenn wie in B2B-Transaktionen eine Vielzahl von Menschen involviert ist. Darum ist es kein Zufall, dass viele Industrieunternehmen substanzielle Ressourcen für interne Trainingsprogramme einsetzen, um Mitarbeitenden und Vertriebspartnern die Markenwerte zu vermitteln und sie bezüglich Kommunikation, Führung und Verhalten zu schulen. Je mehr Menschen – ob Techniker, Manager oder Experten – in Geschäfte involviert sind, umso wichtiger ist ein markenkonformes und -konsistentes Verhalten der Mitarbeitenden. Fachexpertise, Offenheit und Ehrlichkeit im Dialog mit Kunden gehören zu den wichtigsten Faktoren, wenn es um die von aussen wahrgenommene Markenstärke eines B2B-Unternehmens geht. Daraus folgt, dass das Management einer Marke zwingend einen ganzheitlichen Ansatz benötigt, der auch Themen wie das markentypische Gestalten von Kundenbeziehungen, Verkaufstrainings oder Führungsschulungen einbezieht.

3. Überstrapazierte Innensicht

«Die Komplexität unserer Produkte ist zu gross, als dass man sie mit einfachen Markenbotschaften vermitteln könnte.»

Es ist richtig, dass die Komplexität von Produkten und Transaktionen im B2B-Kontext oft grösser als im B2C-Umfeld ist. Einkäufer sehen sich mit einer immer unübersichtlicher werdenden Menge von Informationen konfrontiert – seien das Produkteigenschaften, technische Daten, Spezifikationen oder Leistungskennzahlen, um nur einige zu nennen. Alle diese Informationen erfordern theoretisch Hunderte von Entscheidungen für oder gegen ein Produkt. Genau dafür übernimmt die Marke in der Entscheidungsfindung eine zentrale Funktion und erhöht die Kommunikationseffizienz, weil sie durch übergreifende Werte und Assoziationen Sicherheit vermittelt und Vertrauen schafft. Sie reduziert damit die Komplexität des Angebots, funktioniert als Orientierungshilfe und hilft Entscheidern, eine Vorselektion zu treffen und den Entscheidungsprozess wesentlich abzukürzen.

Insgesamt unterscheiden sich B2B-Marken bezüglich ihrer primären Funktionen und Einfluss-Sphären nicht wesentlich von B2C-Marken. Marken ...

...  ermöglichen Zielgruppen, sich in der Angebotsvielfalt zu orientieren

...  erzielen eine Differenzierung durch eine klare Positionierung im Wettbewerbsumfeld

...  schaffen Vertrauen durch das konsequente Einhalten des Markenversprechens

...  stiften Identifikation unter Mitarbeitenden, Kunden und Geschäftspartnern

...  stärken die Nachfrage und erhöhen die Loyalität und die Weiterempfehlungsbereitschaft

...  minimieren die wahrgenommenen Risiken beim Kaufentscheid

...  steigern die Effizienz in der Kommunikation von Werten und Kundenvorteilen über Produkte und Dienstleistungen hinweg

Es zeigt sich, dass Marken in einem B2B-Umfeld einen mindestens so grossen Einfluss auf Wertgenerierung und Unternehmenserfolg haben wie in einem B2C-Kontext. Das schlägt sich auch im finanziellen Ergebnis nieder: Die oben erwähnte McKinsey-Studie spricht von einer durchschnittlich 20% höheren EBIT-Marge bei Unternehmen mit starken Marken im Vergleich zu denjenigen mit schwachen Marken.

Fünf Erfolgsfaktoren im B2B-Branding

1. Fokus auf ein klares Profil

Bei einer industrieübergreifenden Betrachtung verschiedener B2B-Märkte und -Marken lässt sich ein gewisser «Herdentrieb» erkennen: Offenbar orientieren sich viele B2B-Marken aneinander, wenn es um kommunizierte Markenwerte oder Kundennutzen geht. Über generische Schlagwörter wie «Innovationskraft» oder «Qualitätsführerschaft» kann sich jedoch heutzutage niemand mehr differenzieren, und im daraus folgenden «Meer der Gleichheit» gehen lange Listen von Produktfeatures und Nutzenversprechen einfach unter. Zudem kaufen B2B-Kunden meist nicht nur Produkte, sondern gehen eine langfristige, auf Vertrauen basierende Beziehung ein, die stark von emotionalen Faktoren abhängig ist. Hier sorgt die Marke mit erkennbaren Werten und einer differenzierenden Markenstory für ein klares Unternehmensprofil.

Der Erfolg einer emotionalen Markenkommunikation zeigt sich am Beispiel IBM mit der seit 2009 laufenden «Smarter Planet»-Initiative. Im Kern sollte diese aufzeigen, wie Informationstechnik die Wirtschaft und Institutionen intelligenter, effizienter und ökologischer handeln lässt. Die Initiative vermittelt auf emotionale Art die Kompetenzen des Unternehmens.

2. Mitarbeitende als Markenbotschafter

Wenn es um das Einlösen des Markenversprechens geht, sind die Mitarbeitenden und ihr Verhalten die entscheidende Beweisführung. Dafür müssen sie den Kunden in allen Interaktionen die gleichen Werte vermitteln. Im Behavioral Branding helfen gezielte Schulungsprogramme den Mitarbeitenden, die Werte der Marke zu verinnerlichen, um sie in ihre Kommunikation und Interaktion mit Kunden einfliessen zu lassen. Ein konsistentes Auftreten ist auch deswegen entscheidend, weil im B2B-Umfeld oft ganze Teams und Abteilungen miteinander in Kontakt stehen. So ist es kein Zufall, dass beispielsweise Caterpillar im Rahmen eines globalen «One Voice»-Programms über 10'000 Mitarbeitende darin geschult hat, die Persönlichkeit und die Werte ihrer Marke glaubwürdig im Markt zu vermitteln.

3. Stärkung der Unternehmensmarke 

Viele Industrieunternehmen neigen dazu, ihren neuen Produkten und Innovationen eigene Namen zu geben und sie dann quasi als Marke zu managen. Da diese jedoch weder ein eigenes Markenerlebnis vermitteln, noch konkrete Assoziationen hervorrufen, haben sie aus Kundenperspektive keinen eigentlichen Markenstatus. Sie machen lediglich das Produktportfolio komplexer und unübersichtlicher, was wiederum die Unternehmensmarke eher schwächt als stärkt. Nur die Unternehmensmarke selbst ist in den meisten Fällen stark genug, um übergreifende Werte und Kundenvorteile zu kommunizieren und Kunden eine Orientierungs- bzw. Entscheidungshilfe zu bieten. Das Schweizer Sanitärtechnik-Unternehmen Geberit hat darum bei der Definition seiner Markenstruktur und der Systematik im Produktportfolio darauf geachtet, stets einen klaren Bezug zur Unternehmensmarke herzustellen und gleichzeitig deren Werte konsistent und zielgruppenspezifisch über alle Kategorien und Kompetenzbereiche zu kommunizieren. 

4. Analyse des Markenerlebnis aus Kundensicht

Genau wie bei Konsumgütern geht es auch im B2B-Markt darum, die Kunden zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit den richtigen Informationen zu erreichen. Angesichts eines komplexen und nicht mehr linearen Kaufprozesses sowie einer heterogenen Zielgruppe mit unterschiedlichen Entscheidern und Einflussnehmern ist das eine Herausforderung. Eine ganzheitliche Sicht des Entscheidungsweges bzw. des Markenerlebnisses rückt wichtige Faktoren in den Fokus: 1. Die relevanten Phasen in der «Customer Decision Journey» (denn die Zeit nach dem Kauf ist ebenso wichtig oder sogar noch wichtiger als die Phase vor dem Kauf)2 und 2. Die Art der Entscheidungen und Entscheidungstreiber und -kriterien. Hier liefert die direkte Interaktion mit dem Kunden die wichtigsten Erkenntnisse. Der Werkzeughersteller Hilti zum Beispiel definiert die Rolle seiner Aussendienstmitarbeiter so breit, dass sie auch als Marktforscher fungieren und Kundenzufriedenheit, Markenwahrnehmung und Verbesserungsvorschläge direkt beim Kunden nachfragen. Auch andere Unternehmen setzen auf einen Schulterschluss zwischen Marketing und Verkauf und versorgen das Verkaufspersonal direkt mit relevanten Customer Insights. In jedem Fall ermöglicht ein tiefes Verständnis der Kundenperspektive, Ressourcen effizient und zielgerichtet einzusetzen, um für Kunden zur richtigen Zeit und am richtigen Ort das passende Markenerlebnis zu kreieren.

5. Integriertes Omnichannel-Markenmanagement

Die digitale Vernetzung schreitet rasant voran. Kunden nutzen reale und virtuelle Kanäle immer selbstverständlicher parallel und sogar zeitgleich, und schon längst gehen Logistik und E-Commerce Hand in Hand. Ein ganzheitliches und aufeinander abgestimmtes Markenerlebnis ist darum heute wichtiger denn je. Denn ganzheitliche und langfristig konsistente Markenerlebnisse beeinflussen die Kundenwahrnehmung und schaffen Vertrauen und Loyalität, was besonders im B2B-Kontext von zentraler Bedeutung ist. Dies erfordert integrative Sichtweisen, damit bei jedem Kundenkontakt – ob physisch oder digital – ein konsistentes Bild der Marke vermittelt wird. Das Markenmanagement ist nicht mehr nach einzelnen Kanälen zu organisieren, sondern erfordert ein disziplinübergreifenden Ansatz über Medien und Abteilungen hinweg, z.B. über Marketing/Verkauf, Innovation und Kommunikation bis hin zur Logistik und dem Personalwesen.
Auch die oben erwähnten Unternehmen (IBM, Caterpillar, Hilti oder Geberit) haben ihren integrativen Ansatz beim Markenmanagement immer weiter verstärkt – von lückenlosen internen Schulungen zu Inhalten und Werten der Marke bis hin zu neuen Stellen und Funktionen, die ein disziplinübergreifendes Management der Marke gewährleisten. Unternehmen wie GE oder Dow haben zudem namhafte CEOs, die als prominente Markenbotschafter auftreten und beim Kommunizieren und Leben der Markenwerte eine Vorreiterrolle einnehmen.

*Die beiden Autoren sind bei dem auf Branding spezialisierten Beratungsunternehmen Branders in Zürich tätig: Pascal Geissbühler als Head of Strategy und Mitglied der Geschäftsleitung und Philippe Knupp als Strategy Director.


McKinsey 2014 – Einkäufer vertrauen starken Marken: Image auch im B2B Bereich ein wichtiger Entscheidungsfaktor

2 O. Lingqvist, C. Plotkin, J. Stanley – The B2B Customer Decision Journey: The Route to Increased Sales (McK)

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